Leichte Sprache – Easy Read

Leichte Sprache in anderen Ländern – Ein Blick über die Grenzen

Australien, Kanada, Neuseeland, Vereinigtes Königreich, USA

Leichte bzw. einfache Sprache wird in den englischsprachigen Ländern wie Großbritannien, Australien, Kanada, USA, uneinheitlich mit folgenden Begriffen bezeichnet:

  • accessible communication
  • easy read
  • plain language
  • easy language

Weitere gebräuchliche Synonyme: Easy Write, Easy Info, Easy Access, easy-to-read, aphasia friendly.

Merkmale

Häufig wird zwischen „Easy Read“ (Leichte Sprache) und „Plain Language“ (Einfache Sprache) mit den folgenden Hauptunterscheidungsmerkmalen unterschieden:

Easy ReadPlain Language
Fokus auf Leichtigkeit (simplicity)Fokus auf Klarheit (clarity)
Information wird in Textform und Bildern übermitteltInformation wird in Textform übermittelt
Große SchriftgrößeReguläre Schriftgröße
Häufig wird der Inhalt von einer anderen Person vorgelesenInhalt wird vom Zielleser selbst gelesen
Schwerpunkt auf die Verwendung einfacher Wörter mit bildlicher Unterstützung für größere Klarheit und ein leichtes Verständnis  Eignet sich für Menschen mit angemessenen Lese- und Schreibkenntnissen, die sich etwa auf dem Niveau der Klassen 7 bis 9 (12 bis 14 Jahre alt) befinden. Plain English richtet sich an ein allgemeines Publikum.

Entwicklung von Plain English und Easy Read

Plain English geht auf die Plain English Campaign zurück. Die englische Einfache Sprache und die restriktivere, regelgebundene und weiter vereinfachte Sprachebene Easy Read werden entsprechend als ein direkter, leicht und schnell verständlicher Schreibstil definiert. Ihr Ziel ist es, die Verständlichkeit der Informationen beim ersten Lesen oder Hören zu gewährleisten. Der Leser bzw.  Zuhörer sollte in der Lage sein, eine aufgeklärte und informierte Entscheidung zu treffen.

In den traditionellen Einwanderungsländern wie USA, Kanada, Australien werden die Vorteile einer leicht verständlichen Sprache hervorgehoben, die den in Deutschland erkannten ähnlich sind: 

  • Schnellere mentale Verarbeitung für zeitlich stark in Anspruch genommene Menschen
  • Erleichterung des Verständnisses für Menschen mit Lernschwächen
  • Kommunikation mit nicht muttersprachlichen Menschen, deren Sprachkenntnisse oder allgemeine Sprachkompetenz begrenzt sind

Zwar gibt zwar kein formales Regelwerk, das beispielsweise dem der Forschungsstelle Leichte Sprache der Universität Hildesheim entspricht, doch werden für ein leichtes Sprachverständnis ähnliche Regeln empfohlen. Unter anderem geht es um die Verwendung kurzer Sätze, die Vermeidung von Wörtern lateinischen und griechischen Ursprungs, die Beschränkung auf den unbedingt erforderlichen und wesentlichen Inhalt (Was, Wann, Wo, Warum) sowie die bildliche Unterstützung für die zusätzliche Erklärung von Inhalten empfohlen.

Zielpublikum für Easy Read

Als Zielpublikum werden unter anderem folgende Gruppen identifiziert:

Menschen, die:

  • eine Lernbehinderung haben
  • schlecht lesen und schreiben können
  • Englisch als Zweitsprache verwenden
  • älter sind
  • taub sind

Layout und Typographie im englischsprachigen Raum

Zu den Anforderungen an Layout und Typographie gehören unter anderem:

  • Breite Seitenränder
  • Linksbündige Ausrichtung der Schrift
  • Linksseitige Positionierung von Grafiken zur Erleichterung des Textverständnisses
  • Zeilenabstand von mindestens 1,5, damit die Informationen visuell leichter erfassbar sind
  • Durchnummerierung der Seiten unten rechts
  • Schriftgrößen ab 14 Punkt
  • Klare Schriftart (z. B. Arial)
  • Zahlen, nicht die Wörter für Zahlen verwenden: also „8“ nicht „acht“
  • Visuelle Hervorhebung von „schwierigen“ Wörtern durch Fettdruck
  • Bildliche Unterstützung des Texts zum besseren Verständnis

Beispiel:

Immunisation“ und „vaccine“ erscheinen als „schwierige Wörter“  in folgendem Beispiel im Fettdruck:

Hand mit blauem Handschuh hält eine Spritze an einen nackten Oberarm, oben rechts das Rote-Kreuz-Zeichen

Immunisation protects your baby from some diseases. Immunisation means a doctor or nurse gives your baby a needle with a vaccine inside.The vaccine is the medicine that protects your baby from some diseases.

Quelle: Australian Government | Style Manual

Empfehlungen für das Verfassen von Texten in Easy Read

  1. An erster Stelle wird hier die Definition des Zielpublikums genannt. Für wen genau sind die Informationen bestimmt?
  2. Eine gelungene Übersetzung des Standardtextes in eine „Easy Read“ Version erfordert das volle Verständnis des Ausgangstexts. Dies verlangt ggf. die Kooperation der Verfasser, die bei der Klärung von Verständnisschwierigkeiten und Zweideutigkeiten gefragt sind. Easy Read kann seine Funktion einer klaren und leichten Verständlichkeit nur dann erfüllen, wenn der Ausgangstext keine Fragen aufwirft.
  3. Wie sollte das Endprodukt aussehen (Broschüre, Flyer, Bericht, Studie?). Bezieht sich die Easy Read Version auf dasselbe Dokument in Standardsprache? Wenn ja, sind Design, Aufmachung und Stil der Standardversion beizubehalten.
  4. Einbeziehung von Personen mit Lern-/Leseschwierigkeiten in den Prozess der Erstellung einer Easy Read Version (im deutschsprachigen Raum „Prüfgruppe“) als Verständlichkeitstest.

Dokumentaufbau und Gliederung

Hier werden folgende Forderungen gestellt:

  • Ein Gedanke/Thema pro Seite, unter Bündelung aller Informationen zum gleichen Thema
  • Verwenden von Überschriften, Teilüberschriften, farbige Hervorhebungen, Fettdruck, gleiche Schriftart
  • Keine Worttrennungen
  • Vollständige Sätze auf einer Seite; (keine Fortsetzung von Sätzen auf der nächsten Seite)
  • Vollständige Absätze auf der jeweiligen Seite; keine „Trennung“ von Absätzen

Verwendung von Grafiken und Bildern

Bei Grafiken und Bildern gelten folgende Richtlinien:

  • Geeignet sind Symbole, Bilder, Fotos oder Zeichnungen.
  • Die verwendeten Grafiken und bildlichen Darstellungen sollten dem Alter des Zielpublikums entsprechen.
  • Keine Überladung von Texten mit Bildern. Ein Bild für jede zentrale Aussage, maximal 4 Bilder pro Seite.
  • Die Bilder müssen genau zum Text passen.
  • Es ist besonders auf die Aktualität von Fotos zu achten.
  • Bei jeder Verwendung von Grafiken und Bildern sind bestehende Urheberrechte zu berücksichtigen.

Endprüfung des Texts

Bei der Endprüfung des Textes sollten folgende Fragen beantwortet werden:

Besteht er aus kurzen Sätzen (15-20 Wörter)?

Ist er so geschrieben, wie man sprechen würde?

Werden möglichst aktive Verben verwendet?

Wird die Sprache persönlich gehalten, z. B. Sie, wir, ich?

Wird eine serifenlose oder eine ähnliche Schriftart mit einer Schriftgröße von mindestens 14 verwendet?

Hier spielen auch Faktoren wie Farbe, Kontrast, Strichstärke, Art der textlichen Hervorhebung (Fettdruck gegenüber der schlechter lesbaren Schrägschrift) eine Rolle.

Werden Unterstreichungen vermieden und stattdessen Fettdruck zur Hervorhebung von Text verwendet?

Enthält jeder Satz nur einen Gedanken?

Verwendet der Text Dropdown-Aufzählungspunkte für Aufzählungen?

Werden Fachbegriffe und Abkürzungen vermieden?

Enthält der Text keine Wörter in Großbuchstaben (Erschwerung der Lesbarkeit)?

Werden sprachliche Verkürzungen: Bsp.: Museums- und Kunstausstellung, GroKo,  für das = fürs; mit dem = mit’m etc. vermieden?

Werden immer Ziffern  (1, 2, 3) und keine ausgeschriebenen Zahlen verwendet?

Sind Eigennamen ausgeschrieben, z. B. Straße (nicht Str.) oder Ministerium für Gesundheit (nicht MfG).

Wurde die Zeichensetzung auf ein notwendiges Minimum reduziert?

Wurden ggf. Textumrandungen zur Hervorhebung von Informationen eingesetzt?

Weist das Dokument ein konsistentes Layout im gesamten Dokument auf?

Gesetzliche Grundlagen

Obwohl staatliche Behörden in den englischsprachigen Ländern Easy-Read-Versionen vieler bedeutender Gesetze (UK: Mental Health Act, Mental Capacity Act 2005; Australien: National Standards for Disability Services; Schottland: Community Empowerment Act; Neuseeland: Employment Support Service Practice Guidelines; USA: Section 508 Disability Act;) erstellt haben, ist die Verankerung eines ausdrücklichen gesetzlichen Anspruchs auf Bereitstellung von Informationen unter Einhaltung eines Regelwerks zur Sprachvereinfachung durch eine semantische, syntaktische Modifizierung und Beschränkung von Inhalten auf deren Wesensgehalt sowie von Wortzahl und Satzlänge zur kognitiven Erleichterung bisher nicht bekannt.

Ein solches Recht scheint derzeit nur von privaten Organisationen wie „People First“ mit dem Postulat  „Everyone has the right to get information in a way you understand“ (Jeder hat das Recht, Informationen in einer Form zu erhalten, die er/sie versteht) ein individuelles Recht auf verständliche Informationen gefordert.

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