Was ist Muttersprache?
In der eigenen Muttersprache stellen wir uns keine Frage nach Grammatik oder korrekten Verbformen. Wir reden einfach. Was wir im Kleinkindalter gelernt haben, ist automatisch parat, ohne, dass wir die Strukturen dahinter erfassen. Anders bei einer Fremdsprache, die erst in der Schule mühsam erlernt wird.
Die Muttersprache ist die erste Sprache, die ein Kind versteh. Es lernt die Muttersprache ganz ohne Unterricht, von der Familie und der Umgebung. Denn die Erwachsenen sprechen mit dem Kind, sie lesen ihm Geschichten vor oder sprechen, während sie mit ihm spielen. Es gibt viele verschiedene Sprachen auf der Welt und jede davon kann eine Muttersprache sein.
Gibt es die deutsche Muttersprache?
Jede Region hat ihre Eigenheiten und besonderen Ausdrücke. Ein nordisches „Moin, Moin“ klingt im Süden ab Mittag komisch. Wir kaufen eine Semmel in Oberbayern, ein Weckle in Baden-Württemberg oder Franken, die Strippe eher in Berlin. Sogar jede Familie kann Eigenheiten haben. In meiner Ursprungsfamilie gibt es z.B. den „Apfleimer“, statt Abfalleimer. Entstanden aus einem frühkindlichen Versprecher einer Schwester. Mein Sohn hat lange „Tataz“ statt Betonmischer gesagt.
Eine Familie auf dem Land spricht anders, als eine Familie aus der Stadt. Eine Artzfamilie hat einen anderen Wortschatz, als die Familie eines Heizungsbauers.
Der Begriff ‚Erwerben’ bezieht sich auf die Muttersprache. Diese Art von Spracherwerb erfolgt durch unbewusstes und ungesteuertes Lernen. Es werden keine Vorkenntnisse von dem Kind erwartet und doch lernt jeder eine Form von Muttersprache.
Dürfen wir die Form der Sprache und das Niveau der Muttersprache festlegen?
Gibt es eine Standartsprache? Was sind dann Dialekte?
Was ist in diesem Zusammenhang die Leichte Sprache?
Sind es vielleicht alles eigene Sprachformen?
Sollten wir nicht einfach tolerant gegenüber jeder Form von Muttersprache sein, da jeder eine eigene Muttersprache erwirbt?
Müssen wir andere Formen der Muttersprache erlernen oder übernehmen? Wer aus dem Süden nach Ostdeutschland zieht, wird bei einem „Grüß Gott“ etwas seltsam angeschaut. Paradeiser gibt es nur in Österreich, im Rest der deutschsprachigen Region heißen sie Tomaten.
Der Begriff ‚Erlernen’ trifft auf die Fremdsprache zu. Sie wird bewusst und gesteuert gelernt. Es wird dabei ein gewisser sprachlicher Entwicklungsstand vorausgesetzt, ohne den eine Fremdsprache nicht erlernt werden kann. Habe ich jetzt durch mein Übersetzungsdiplom für Leichte Sprache eine Fremdsprache erlernt?
Viele werden sagen nein, aber ich musste die Regeln sehr bewusst erlernen. Ist die Leichte Sprache jetzt nicht meine Muttersprache, obwohl es sich doch immer um Deutsch handelt?
Was ich sagen will:
Warum können wir Leichte Sprache nicht als das akzeptieren, was sie ist:
Eine Form der Deutschen Sprache, genau wie Sächsisch, Schweizer Deutsch, Tirolerisch, Plattdeutsch.
Für jede Form brauchen Menschen Übersetzungshilfen, aber die sollten gut und richtig sein. Einfach schnell selbst machen geht hier nicht. Wer im Dialekt nicht zu Hause ist, kann ihn nicht übersetzen. Wer die Regeln der Leichten Sprache nicht kennt, sollte es nicht selbst machen, nur weil es eine einfachere Version des Deutschen ist.
Das sind meine Gedanken zum Tag der Leichten Sprache am 28.Mai.
Und hier noch eines Video zu der Frage, ob man Muttersprache verlernen kann:
Kann man seine Muttersprache verlernen? // Grenzgänger – YouTube