Nutzen von Leichter Sprache größer als angenommen
1. Grund: Alle verstehen es
Ingenieure habe ihre eigene Sprache und verstehen unter “Mangel” etwas anderes als ein Jurist. Das Wort „Abschreibung“ kennen viele nur aus Schule, aber nicht aus dem Steuerrecht. Das “raumübergreifende Großgrün” kennen einige Beamte, aber nicht der Einzelhandelskaufmann mit dem Obstgeschäft an der Straßenecke.
Leichte Sprache wird von allen verstanden. Der einfache Stil besteht aus kurzen Sätzen, vermeidet Fremdwörter, seltene Konstruktionen und Verbformen, wie sie viele Juristen gern verwenden. Auch Passiv und Konjunktiv werden nicht genutzt.
Bilder veranschaulichen den Text. Eine größere Schrift hilft bei der Lesbarkeit – auch wenn mal nur die Lesebrille nicht zur Hand ist.
2. Grund: In bildungsfernen Bevölkerungsgruppen verständlich
12,1 Prozent der erwachsenen Bevölkerung zwischen 18 und 64 Jahren in Deutschland leben können nicht ausreichend Lesen und Schreiben, das sind 6,2 Millionen funktionale Analphabeten, deren Lesefähigkeit stark eingeschränkt ist.
Funktionale Analphabeten können zwar einzelne, kürzere Sätze lesen und schreiben, den Sinn längerer Sätze und Texte verstehen sie jedoch nicht. Nicht die Steuererklärung, nicht den Wohngeldbescheid, den Antrag auf Sozialhilfe, das Schreiben vom Anwalt bei einem Verkehrsunfall oder die Mitteilungen der Kinderbetreuungseinrichtungen.
Juristische Fachsprache und Beamtendeutsch trennen oft die Anwender von den Lesern. Schreiben in Einfacher oder Leichter Sprache schließen bestimmte Bevölkerungsgruppen nicht mehr vom gesellschaftlichen Leben aus.
3. Grund: Nützlich auch für Menschen mit geringen Deutschkenntnissen
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) waren Ende 2020 rund 11,4 Millionen Ausländerinnen und Ausländer im Ausländerzentralregister registriert. Mehr als 26 Prozent der Bevölkerung hatten einen Migrationshintergrund. Nicht alle haben gute Deutschkenntnisse oder können noch kein Deutsch. Aber sie schließen Kauf-, Miet- oder Arbeitsverträge. Sie nehmen am Alltag teil und verstehen oft die Bedienungsanleitungen der Fahrkartenautomaten nicht.
Verständliche Texte erleichtern hier das Leben, bis die Deutschkenntnise für die Standardsprache ausreichen.
4. Grund: Menschen mit Lernschwierigkeiten verstehen es
Zum Jahresende 2019 lebten rund 7,9 Millionen schwerbehinderte Menschen in Deutschland. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, hatten davon insgesamt 13 % der Behinderten eine geistige oder seelische Behinderung.
Menschen mit Lernschwierigkeiten bzw. einer geistigen Behinderung sollen auch selbstbestimmt am Leben teilnehmen. Doch die Standardsprache einer Hausordnung im Mietshaus kann schon zu schwer sein. Es kommt zu Konflikten mit dem Vermieter oder anderen Mietparteien. Das kann mit einer Hausordnung in Leichter Sprache mühelos verhindert werden.
5. Grund: Verständlich auch bei reduziertem Sprachverständis
In Deutschland sind jedes Jahr über 200.000 Menschen von einem Schlaganfall betroffen und davon haben 35 Prozent eine Aphasie. Unter dem Fachwort Aphasie wird der komplette oder auch teilweise Verlust von Sprache verstanden. Die Sprachstörung kann außerdem nach Unfällen, Tumoren oder Hirnhautentzündungen auftreten. Mancher Alzheimer- oder Parkinson-Patient hat ein reduziertes Sprachverständnis.
Trotzdem wollen sie ein Testament schreiben oder eine Patientenverfügung aufsetzen, ebenso medizinische Behandlungen verstehen. Hier hilft die Leichte Sprache und unterstützt diese Menschen in ihrer eigenen Selbstbestimmung.
6. Grund: Vereinfachung der Arbeitsabläufe
Kenntnisse in Einfacher oder Leichter Sprache erleichtern die Arbeitsabläufe. Fertiges Informationsmaterial lässt den Kunden/Mandanten nicht allein und hilft bei der Gesprächsführung. Bei Formblättern gibt es keine Rückfragen, weil alles selbstständig ausgefüllt werden kann.
7. Grund: Zeitersparnis
Wird von Anfang an auch in Leichter oder Einfacher Sprache kommuniziert, kommt es zu einer großen Zeitersparnis. Formblätter können gleich ausgefüllt werden, Rückfragen müssen nicht umständlich in jedem Fall neu beantwortet werden, die Gespräche sind einfacher.
8. Grund: Erschließung neuer Zielgruppen
Nicht in jedem Büro oder jeder Kanzlei wird die Einfache oder Leichte Sprache notwendig sein. Aber die Zahlen oben sprechen für sich. Wer diese Menschen mitberücksichtigt, hat auf einmal viele Kunden mehr.
9. Grund: Sympathische Außenwirkung
Inklusion ist heute nicht nur eine Worthülse. Vielen Menschen ist Teilhabe und Barrierefreiheit sehr wichtig. Wer dies umsetzen kann, wirkt sympathisch und weltoffen.
Außerdem haben alle weniger Hemmungen Rückfragen zu stellen. Denn nicht nur Menschen mit Lernschwierigkeiten oder geringen Deutschkenntnissen haben bei der Benutzung von Fachsprache oder Fremdwörtern Probleme. Wer versteht schon seine eigene Steuererklärung?
Zurück zur Startseite